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Mein IAA 2017-Bericht

Zum Fotoalbum: Internationale Automobil-Ausstellung (IAA), Frankfurt 2017 - Google Photos

Gestern waren meine Frau und ich auf der IAA in Frankfurt. Ich möchte heute meine Eindrücke schildern, solange sie noch frisch und unverfälscht sind. Im Vorfeld zu unserem Besuch haben wir uns zwei bis drei Videos "unserer" abonnierten Youtube-Kanäle angeschaut und uns im Netz einen Ausstellerplan besorgt und notiert, welche Hersteller wir besuchen wollten. Leider waren die wirklich interessanten, zumindest für mich persönlich, ja nicht anwesend: Kein Nissan, kein Tesla.

Begonnen haben wir bei BMW. Wie schon vor zwei Jahren bietet der Münchner Hersteller eine Show, die sich gewaschen hat. Vor einem Kino-Publikum wird der neue M5 präsentiert, vor riesigen Bildschirmen drehen echte Fahrzeuge ihre Runden. Nur auf den Stufen, da soll man nicht sitzen, wir werden verscheucht und brechen die Präsentation also frühzeitig ab, weil wir schlicht keinen Sitzplatz finden, so gefragt ist der neue M5 beim Publikum.

Überraschenderweise thront über den Köpfen bei BMW eben kein M5, kein Z4 und kein M3. Nein, auf Podesten und somit für alle direkt sichtbar steht der facegeliftete i3, ein i8 sowie die Plug-in-Hybridvariante des neuen 5er. Und wer in einem i3 mal Platz nehmen möchte, findet ausreichend Gelegenheit, denn es stehen gleich drei Elektro-BMW dafür zur Verfügung. Natürlich werden auch die "hundsgewöhnlichen" Verbrennerfahrzeuge ausgestellt, aber ich finde es - gerade, wenn ich mich an die vorherige Berichterstattung zur IAA erinnere - bemerkenswert, dass die (teil-)elektrifizierten BMW-Modelle derart prominent ins Rampenlicht gerückt werden. Das sieht bei VW anders aus, wie wir später noch sehen sollten.

Nach BMW haben wir die Asiaten in Halle 9 besucht. Und da tut sich eine Menge. Ssangyong hat in Sachen Haptik deutlich zugelegt und präsentiert recht schicke Fahrzeuge. Wey, einen chinesischen Hersteller, der zu Great Wall gehört (dem größten chinesischen Automobilbauer), hatte meine Frau sich unbedingt anschauen wollen, weil sie im Vorfeld Positives gelesen hatte. Und ja, die sympathischen, aber noch etwas unbeholfenen Chinesen - ich hatte ein sehr nettes, für mich und meine zwei Gesprächspartner auch sehr erstaunliches Gespräch - brauchen sich nicht mehr im Wettbewerb zu verstecken, das hat mir diese IAA gezeigt. Meine beiden Gesprächspartner vom Wey-Stand waren sehr erstaunt, dass man in Deutschland alternativ angetriebene Fahrzeuge auch gerne kaufen würde, so es sie denn gebe. Dabei möchte Wey mit einem Plug-in-SUV mit 236 PS und etwa 50 km elektrischer Reichweite und einem reinen Elektro-SUV in Europa auf den Markt kommen, sie sollten also wissen, was sie hier erreichen können. Die Fahrzeuge machten einen sehr guten Eindruck, das sind längst keine billig zusammengeschusterten Kopien mehr, das sind eigenständige, ernst zu nehmende Fahrzeuge. Genau wie auch die von Borgward.

Ja, die Marke gibt es wieder und drängt unter chinesischer Hand mit mehreren Modellen auf den deutschen Markt. Starten möchte man zunächst mit einem Shop in Stuttgart, als Service-Betriebe soll z.B. ATU herhalten. Auch bei Borgward sind die Fahrzeuge teilelektrifiziert, kommen als Plug-in-Hybride auf den Markt und schauen sehr gut aus.

Das tun auch die Modelle von Kia. Neue Modelle holen stark auf, sind optisch schick und haptisch auf dem Niveau der etwas teureren Mitbewerber angekommen. Der neue Kia Stonic, ein Kompakt-SUV, steht in direkter Konkurrenz zum neuen VW T-Roc, welcher auf dem Polo basiert. Wir haben in beiden Platz genommen und müssen zugeben, dass VW sich hier in Sachen Innenraummaterialien und -Design hinten anstellen muss: der Kia fühlt sich besser an und schaut schöner aus! Bei Kia gibt es außerdem den Niro als Plug-in-Hybrid und den Optima Plug-in-Hybrid als Kombi zu bestaunen.

Während bei Hyundai der Ioniq Electro, Ioniq Hybrid und Ioniq Plug-in-Hybrid hinter einer Monitorwand versteckt werden, präsentiert Honda seine umweltfreundlichen Fahrzeuge ganz offen und ungeniert. Neben dem NSX, den man heuer berühren durfte, kann man auch den Clarity in Frankfurt bewundern, Hondas Serien-Brennstoffzellen-Fahrzeug. Sogar Platz nehmen kann man darin. Das Highlight der Messe für mich persönlich ist wirklich der kleine Urban EV Concept, der einem Civic aus den 1970ern nachempfunden ist und schon 2019 mit Elektroantrieb herauskommen soll. Interessant war auch der CR-V Hybrid-Prototyp, in welchen man leider nicht reinschauen konnte und zu dem mir auch niemand von Honda etwas Genaueres sagen wollte.

Bei Ford gibts nen alten Fiesta und einen neuen Fiesta, aber keinerlei alternativ angetriebene Fahrzeuge. Bei Opel gibt es sie, zumindest auf der Messe. Der Ampera-e gefällt durch viel Platz und zugegeben günstige, aber angenehm gestaltete Materialien. Leider, wir wissen ja: Man bekommt schlicht keinen. Elektromobilität, die nur ausgestellt, aber nicht gekauft werden kann. Bei Toyota und Lexus gibt es sowieso gar keine Elektromobilität im klassischen Sinne. Immer noch prägen die Vollhybride das Bild des Konzerns, gezeigt werden der neue LS und ein paar sehr sehr schicke LC. Neben dem Mirai wird auch ein Prius 4 und ein Prius 4 Plug-in gezeigt.

Citroen hat auch ein Elektroauto, den seltsamen Emehari. Ich kann mir nicht vorstellen, dass damit ernsthaft jemand draußen rum fährt. Auch bei VW gibt es eine Ecke mit alternativ angetriebenen Fahrzeugen. Es gibt den Passat GTE, den Golf GTE, einen elektrischen Up, sowie Gasfahrzeuge. Seltsamerweise stehen sich die Leute lieber beim Polo und Golf GTI die Beine in den Bauch, um endlich auch mal darin Platz nehmen zu können. Schlange steht man dort, wo es viel PS und wenig Elektrizität gibt. Der Großteil der ausgestellten VW-Modelle sind dann auch die neuen T-Roc, Tiguans und Polos. Bei Skoda gibt es ebenfalls neue SUVs zu bewundern: Das Publikum will gar nicht weg vom neuen Karoq und Kodiaq. SUVs sind wahnsinnig gefragt. Und Verbrennungsmotoren!

Das zieht sich durch den Messe-Tag auch weiter so durch. Dort, wo kräftige BMW mit Sechs- oder noch mehr Zylindern ihre Runden drehen und man PS-Monster befummeln darf, dort bilden sich Menschentrauben. Dort, wo elektrifizierte Konzeptfahrzeuge gezeigt werden, oder gar Serienfahrzeuge mit umweltfreundlichen Antrieben, dort geht es deutlich ruhiger zu. Und das, obwohl es diese Fahrzeuge wirklich gibt und sie auf der Messe meist nicht versteckt werden. Auch nicht bei den Deutschen. BMW, Audi und VW zeigen ihre neuen GTEs und e-trons, es ist nur keine Nachfrage da.

Das große Thema der Messe sind die SUV. Es gibt scheinbar keine andere Fahrzeuggattung, die der Deutsche lieber mag. Jeder Hersteller hat meist mehrere neue SUV präsentiert, jede noch so kleinste Lücke wird prompt mit einem neuen Vertreter dieser Fahrzeuggattung gestopft. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob mit Diesel-, Benzin- oder elektrischem Antrieb: Hauptsache, SUV.

Viel mehr kann ich zur IAA gar nicht sagen. Die Chinesen werden langsam gefährlich und konzentrieren sich auf BEV-Antriebe, die Japaner zeigen praktische und sehr gute Fahrzeuge und begeistern mit pfiffigen Detaillösungen, die Deutschen setzen auf die große Show mit viel Tamtam und belassen es bei Concept Cars und großen Ankündigungen. Bis zu 50 neue alternativ angetriebene Fahrzeuge bis 2025 (oder war es sogar schon bis 2020?) bei Mercedes zum Beispiel. Solche Ankündigungen hört man bei den Asiaten nicht - die sind einfach irgendwann mit einem Serienfahrzeug da. Weniger Show, mehr Essenz.

Interessant ist auch das Rahmenprogramm. Verschiedene Entwickler, Dienstleister und Firmen stellen Konzepte, Ideen, Entwicklungen und Exoten vor und machen deutlich, dass ein junges, entscheidungsfreudiges und quer denkendes Team manchmal mehr reißen kann als ein alteingesessener, großer Automobilhersteller. Von Elektro-Rollern und -Bikes bis hin zu urbanen Mobilitätskonzepten und Entwicklungen in Sachen autonomes Fahren (z.B. wer bezahlt das Parkhaus, wenn das autonom fahrende Auto dort abgestellt wird) war alles dabei!

Solltet ihr Fragen haben, zur Messe, zu den Herstellern, zu den Fahrzeugen, scheut nicht, sie hier zu stellen. Und schaut doch mal in mein Fotoalbum, in welchem ich hauptsächlich alternativ angetriebene Fahrzeuge und SUVs fotografiert habe. Ersteres, weil es mir wichtig war, letzteres, weil das allen anderen Besuchern wichtig war.

P.S.: Mercedes und Smart haben wir genauso ausgelassen wie Jaguar, Lamborghini und alles, was bisher noch nicht erwähnt wurde. Aber bei Porsche waren wir. Meine Frau wünscht sich nun einen Panamera Hybrid zu Weihnachten.

Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 1
Ja, die Chinesen darf man nicht unterschätzen.  Mir wäre ein Sion, der in Europa gebaut wird lieber als ein BEV aus China.

Gerd

Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 2
Ja ja, der neue Panamera wär schon was zu Weihnachten.
Wir fertigen da einige Teile für und so saß ich zumindest schon Mal drin, mehr leider nicht :(

Danke für den Bericht. Bestätigt mich mal wieder darin dass BMW zumindest einigermaßen die Zeichen der Zeit erkennt, im Gegensatz zu anderen dt. Herstellern.

Und dass der neue M5 anzieht - wundert mich nicht. Ist halt schon ein Erlebnis die Kiste zu fahren.

Was Fernost betrifft: Die Frage ist, was davon es bis zu uns schafft. Schon jetzt gäbs da wohl interessante Autos, nur: Wird der Deutsche chinesische Autos kaufen? Das Brainwashing der letzten Jahrzehnte dass alles aus China billiger Schund ist wirkt doch sicher noch ein paar Jahre nach.
Ich persönlich seh das etwas anders, bestelle auch viele Dinge direkt aus China über Gearbest oder Aliexpress... Das Land ist im kommen und wird immer wichtiger. Mal sehen.

Nochmals Danke für den bericht, ich bin auf die Entwicklung der nächsten Jahre echt sehr gespannt.

Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 3
sehr interessant zu lesen, und auch am WE war ein passender Artikel in der Süddeutschen drin. es ist schon irgendwie so, das die Hersteller in DE, die sich selber gern als Premiumhersteller sehen, die Zeichen der Zeit immer noch nicht so wirklich erkannt haben, zumindest nicht die Zuständigen in der obersten Etage.

es ist auch unverantwortlich, wie mit geschlossenen Augen die Firmen gelenkt werden. Ausbaden müssen das letztendlich die Menschen an den Fließbändern, wenn sich der Krempel nicht mehr verkaufen lässt. die Oberen werden dann mit einer fetten Abfindung weggelobt. ist ja eine beliebte Methode, um noch mehr Schaden abzuwenden. es ist einfach eine Frechheit!  :icon_boxen4:

Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 4
Danke für die schöne Zusammenfassung. Ich hatte am WE schon die Autoblöd (IAA-Ausgabe) fast im Einkaufskorb, konnte mich aber in letzter Sekunde besinnen, den Schund nicht zu bezahlen.

Ich finde, dass bestimmte Boni erst nach einigen Jahren ausgezahlt werden dürften, wenn sich bestimmte Änderungen, die der Empfänger zu verantworten hat, auch messbar positiv auf die Firma auswirken. Vom Grundgehalt wird kein einziger Boss am Hungertuch nagen, aber die Performance in den Entscheidungen wäre dann wesentlich spannender.


Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 6
Hätte ich aus der Feder eines "Tom Grünweg" nicht erwartet. Was ist da los? :-/

Chinesische Hersteller auf der IAA: Wer zuletzt lacht...

Zitat
Früher waren sie die Lachnummern der Autoindustrie: Chinesische Hersteller bekamen in Europa keinen Fuß auf den Boden. Jetzt ist Schluss mit lustig. Auf der IAA zeigten die Konzerne Modelle, die man ernst nehmen muss.

Antw.: Mein IAA 2017-Bericht

Antwort Nr. 7
wow! die Isabella-Studie find ich geil! endlich mal ein Auto, was unkonventionelle Optik mitbringt. klasse finde ich die Türen, damit man in super enge Parklücken kommt und trotzdem noch aussteigen kann.