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Thema: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht (2820-mal gelesen)
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Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Beim Durchlesen der vielen Berichte über die Hybridtechnik standen mir oft die Haare zu Berge, besonders bei nicht wenigen Beiträgen der Art "Ich habe einen 300PS Diesel MarkeX, der braucht bei 200 km/h nur 4.1 L/100km, Hybrid ist Schwachsinn, da alles, was anders ist, als mein Auto, Schwachsinn ist". Oder Beiträge, bei denen sich Raser über alle Autofahrer aufregen, die unter 200 km/h fahren und auch mal die Überholspuren nutzen wollen, in dem Glauben, das läge an den zu schwach motorisierten Autos (besonders Hybrid), da ihre Vorstellungskraft nicht reicht, dass es nicht wenige Fahrer gibt, für die aus freien Stücken mit 150 oder weniger völlig entspannt reisen.

Daher habe ich gedacht, es ist vielleicht interessant zu hören, wie es ist von (in der Regel 100%) Elektro auf den Auris Hybrid umzusteigen.

Ich bin zwei Jahre einen Opel Ampera gefahren und habe mich sehr an das motorgeräuschfreie Gleiten gewöhnt, es ist unheimlich entspannend. Als ich mit Opel zunehmend Ärger hatte, zuletzt einen Serienfehler in einem Elektromotorlager und mich mit Opel herumschlagen musste und in meinem Wohnort auch keine gute Opel-Werkstatt ist, habe ich mich entschlossen, ein neues Auto zu kaufen. Die Wahl fiel nach einigen Probefahrten auf den Auris Hybrid, da wir auch eine hervorragende Toyota Werkstatt in der Nähe haben, wo wir schon lange Kunde sind.

Bei der Suche hatte ich auch auf den 180 PS Focus Automatik in Erwägung gezogen, habe den aber nach einer Probefahrt verworfen, da mich das Geruckel der Automatikgetriebes gestört hat. Im Ampera konnte ich vom Stand ohne einen einzigen Schaltruck bis 160 km/h beschleunigen.  Das kann der Auris auch, ich finde das stufenlose Getriebe genial. Klar, der Ampera hatte da ein Drehmoment, wo kleine Diesel von träumen, aber der Auris geht auch gut ab.

Zur Verarbeitung und zum Innendesign muss ich sagen, dass ich sehr positiv überrascht bin (wir hatten schon viele Toyotas, auch Frau und Tochter fahren schon immer welche). Das Design gefällt mir, es scheint weniger Hartplastik zu geben. Ich fühle mich wohl, die Sitze sind klasse und auch die Anlage ist recht gut im Vergleich zum Ampera, der mit Bose natürlich einen ausgewogeneren Klang hatte. Nur ist es nun mal hörakustisch so, dass Fahrgeräusche isch mit der Musik überlagern und Bässe (bei nicht übermäßiger Verstärkung ) nicht mehr physisch wahrgenommen aber vom Gehirn in gewissen Grenzen hinzugefügt/verstärkt werden. Wichtig ist für mich dass es kein Telefon-Sound ist mit fiesen Resonanzen und dass nichts scheppert oder verzerrt. Natürlich ist das Geschmackssache.

Zum Fahren: Klar, der Ampera hatte kein Brummen, der Auris brummelt bei sanfter Fahrt leise, aber das ist im Vergleich zum Wind/Reifengeräusch schon ab 40 kaum wahrnehmbar, eher die Vibration. Der Ampera hat ja auch einen Verbrenner, den man zur Reichweitenverlängerung nutzt (realistische elektrische Reichweite bei mir Sommer 65km, Winter 35km, geht sicher besser). Dieser lief für mich immer sehr unverständlich, da er beim Beschleunigen mit Verzögerung in vier Stufen hochdrehte und manchmal auch in der Gleitfahrt nicht 'runterdrehte, ich musste dann kurz auf EV Betrieb und wieder auf Hybrid umschalten um ihn zu beruhigen.

Dieses Verhalten finde ich beim Auris logischer: Trete ich aufs Gas und fordere Power, dann heult die Maschine auf. Bin ich geschwindigkeitsmäßig da, wo ich hin will, dann ist sie sofort wieder still. Klar, es wäre schön, wenn dieses Aufheulen nicht wäre, aber es wäre auch schön, wenn immer Sommer wäre oder wenn unsere Autos keinen Treibstoff benötigen würden;-) Ich kann mich damit arrangieren. Der Verbrauch auf Langstrecke ist allerdings beim Auris ganz erheblich besser, als der meines Ampera, wo bei meiner Fahrweise auf der Autobahn locker 8.5L durchgeflossen sind. Und der Ampera ist bei 160 km/h abgeregelt.

Im direkten Vergleich finde ich, dass im Auris Hybrid ebenso ruhiges und entspanntes Fahren möglich ist, wie im Ampera. Für mich entfällt das Umschalten der Modi (EV Stadt, Hybrid Autobahn, EV im Stau...) und vieles gefällt mir im Auris besser wie z.B. die Rundumsicht, die im Ampera extrem bescheiden ist (die Kritiker der Rundumsicht im Auris sollten sich das mal antun!). Viele Details haben mich erfreut wie die Sicherheitssysteme (Edition-S) und die Sitzheizung, die im Ampera nur eine Kleine Fläche auf der Sitzfläche erwärmte, während die im Auris bis vorne zu den Schenkeln und hoch zum Rücken strahlt. 

Mein Fazit: Hybrid muss man wollen und sich darauf einlassen. Es ist eben anders. Ich finde es klasse und zukunftsweisend, wie auch natürlich auch Elektro.  Autos sind schon lange fahrende Computer. Beim Hybrid (und Elektro) überlasse ich die Regelung der Komponenten 100% dem in dieser Disziplin einfach schlaueren Steuercomputer. Wenn ich auf den blubbernden Sound eines 8 Zylinder Bigblocks nicht verzichten kann, darf ich keinen Tesla kaufen und auch keinen Hybrid. Wenn ich das Kreischen eines 12 Zylinder Lambo für meine Ausgeglichenheit brauche, dann auch nicht. Und wenn mich das Aufheulen des Motors beim Beschleunigen stört, dann lege ich mal eben 60.000 EUR auf den Preis des Auris drauf und kaufe einen Tesla Modell S. Daher hinken so viele Vergleiche, die man im Netz findet: "Was ist besser - Eine Waschmaschine oder eine Geschirrspülmaschine? Natürlich die Waschmaschine, denn in der Geschirrspülmaschine werden meine Socken nicht richtig sauber".

Micha

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 1
 :applaus: gut geschrieben. Viel Freude mit. Aber vergleiche nicht die beiden miteinander.  ;)

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 2
Ich hatte nicht vor, einen Vergleichstest zu verfassen. Aber natürlich vergleiche ich vorher und nachher und somit zwangsläufig den Ampera mit dem Auris, ich hielt genau das für interessant, da nach meiner Erfahrung Elektromobilisten selten zu (Teil-)Verbrennern zurückkehren, eher zum nächstbesseren Elektromobil aufrüsten (Ampera -> Tesla).

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 3
Hallo Micha,

vielen Dank für deinen superinformativen Bericht. Speziell die Unterschiede und die Vorteile der jeweiligen Systeme finde ich hochinteressant.

Allzeit gute Fahrt und immer eine Handbreit Luft rund ums Blech.

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 4
Herzlich Willkommen, Micha. Auch ich bedanke mich für den ausführlichen Vergleich, der gar keiner sein wollte. Ziemlich interessant, dein Schritt vom E-Auto zum Hybriden. Ich verstehe dich richtig, dass der Hauptgrund die Unzuverlässigkeit des Ampera war und nicht das Konzept E-Auto an sich?

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 5
Danke, freut mich, wenn es interessant ist. Um die Frage zu beantworten:

Auf jeden Fall war die Motivation für den Wechsel der Ärger mit Opel und die bescheidene Werkstattsituation in MR. Unzuverlässig war er eigentlich nicht, aber wenn man bei einem Serienschaden unendlich viel Diskussionen hat und das mitten in Projektarbeit, da war für mich das Vertrauen weg. Bei meiner Toyota-Werkstatt war es immer, abgeben, Mietwagen mitnehmen, Auto abholen, bezahlen, alles hat gepasst. Hätten die Toyota Plugins mehr elektrische Reichweite, hätte ich mir nie einen Opel gekauft.

Das Elektrokonzept finde ich weiterhin klasse und ich hätte auch gerne einen Tesla, das lässt mein Budget leider nicht zu. Und fast noch mehr würde mich der Mirai interessieren. Allerdings hatte ich beim Stromern nicht gedacht, wie sehr die Heizung im Winter an der Batterie saugt. Und auch nicht wie kompliziert es ist, für Dienstreisen Hotels zu finden, bei denen es eine Möglichkeit zum Laden gibt. Ganz zu schweigen von der häufigen Verärgerung darüber, dass sich ignorante Verbrennerfahrer auf die raren Parkplätze stellen, an denen es einen Elektroanschluss gibt.

Zweifelsfrei sind die alternativen Antriebe die Zukunft der Mobilität und die Leute, die sich trotz einiger Stolpersteine darauf einlassen, sind diejenigen, die das voranbringen: Show me, don't tell me.

Micha


Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 6
Zitat
Allerdings hatte ich beim Stromern nicht gedacht, wie sehr die Heizung im Winter an der Batterie saugt.

Das ist aber nur bei E-Autos mit kleinen Batterien relevant. Die Heizung läuft pro Stunde, nicht pro Kilometer. Im Stadtverkehr, wo ich allerdings nicht auf die Reichweite angewiesen bin,  ist er also relevanter als bei hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten auf Fernreisen. Dort braucht man die Reichweite, aber der Einfluss der Heizung ist relativ gering. Ich schreibe aus über 2 Jahren Erfahrung.

Oder anders: Durchschnittsverbrauch auf 2 Jahre:  18,7 kWh/100 km. Winterverbrauch: 20,5 kWh/100 km.

Wenn ich nun 3 kWh auf 100 km verbrauche, was schon sehr, sehr viel wäre, macht das bei einer 20 kWh Batterie, die die Reichweite ja schon vom Prinzip her einschränkt, natürlich mehr aus als bei einer 60 oder 70 kWh Batterie, die ich für einen kommenden Mindeststandard halte.

Das gibt's jetzt noch nicht, außer bei teuren Tesla Model S.  Aber bald mit dem Bolt und danach auch im Model 3.

Zitat
dann heult die Maschine auf. Bin ich geschwindigkeitsmäßig da, wo ich hin will, dann ist sie sofort wieder still. Klar, es wäre schön, wenn dieses Aufheulen nicht wäre. ;-)

Nach 7 Jahren mit verschiedenen HSD Autos bin ich froh, dieses Gequäle am Berg und auf Autobahnen nicht mehr hören zu müssen.
Hand aufs Herz. Setz doch mal den Tempomat auf 120 und fahr Frankfurt - Köln oder Frankfurt - Kassel. Das häufige unvermittelte Hochdrehen auf über 4.000 Umdrehungen ist einfach nicht schön.  Und wie die 4.000 klingen, verdient dazu noch alles andere als einen Soundschönheitspreis. Leider.  Vielleicht sollte es Toyota so machen wie BMW beim i8 und den kratzigen Motorsound per Lautsprecher aufhübschen. :)

Vom Ampera in einen Auris. Das finde ich schon harte Kost. Alleine der altbackene Innenraum des Auris im Vergleich zum Ampera.
'Und die echten 150 E-PS. Für mich unvorstellbar. Du musst sehr unzufrieden gewesen sein wegen des Motorlagerschadens.

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 7
@e-motion :

"Das häufige unvermittelte Hochdrehen auf über 4.000 Umdrehungen ist einfach nicht schön.  Und wie die 4.000 klingen, verdient dazu noch alles andere als einen Soundschönheitspreis."

Ich weiß, was du meinst, wenn der 450er hochdreht, dann mag ich das Geräusch. Ich hab den PII wirklich schon fast geliebt, solange ich ihn fuhr, und hatte auch mit dem Geräusch kein Problem, bin gestern ne längere Strecke mit @JJ mitgefahren, und obwohl es "mein" Piepsi ist, habe ich mich gewundert, dass mich dieser "Sound" früher nicht nur nicht gestöt hat, nein, dass ich ihn nicht mal bewusst wahrgenommen habe.

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 8
Jep, aber der essenzielle und faszinierende Anteil des HSD war nun mal überwiegend.
Und der Motorsound war Anreiz möglichst viel elektrisch zu fahren.
Ich hatte mich am Ende gefragt, ob mir das Spielchen den Verbrenner meistmöglich ruhen zu lassen im Elektroauto nicht fehlen würde. :)

Nein, es fehlt nicht.
Das reizvolle beim Ampera ist für mich nicht seine Pendel-Reichweite, sondern dass er sich wie ein richtiges Elektroauto fährt. Was natürlich mit seiner Batteriegröße und der für ein PHEV großen Reichweite zusammenhängt.

Da ist der E-Motor nicht wie im Prius nur Gehilfe, der im Alleingang nur vorsichtigste Beschleunigung zulässt.
Im Ampera gibt's echte elektrische 110 kW zu spüren! Berge können bergauf so leise genommen werden wie mit dem HSD nur bergab.
Wobei nicht mal das. Wenn bergab die zu kleine Hybridbatterie voll wurde, war schluss mit leisem e-Betrieb.

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 9
Klar, rein elektrisch ist super, das gewaltige Drehmoment aus dem Stand und das fehlende Aufheulen.

Aber das Ganze ist in meinem Fall die Summe seiner Teile, die ich oben genannt habe. Und ein Tesla Model S liegt eben außerhalb meines aktuellen Budgets, den Model 3 wird es erst in zwei Jahren geben.

Ich bleibe offen für alles Neue.

 

Antw.: Vom Ampera zum Auris Hybrid - Erfahrungsbericht

Antwort Nr. 10
@michaschumann Schöner, ausführlicher Bericht.

Als Bemerkung zum 'Heulen' des Motors: Mir scheint, dass man heute recht PS-verwöhnt ist. Meine Fahrzeuge waren meist eher schwach auf der Brust, wenn man die Autobahnsteigung halbwegs zügig hochkommen wollte, musst man - ja, richtig - zurückschalten. Und dann heult jeder Motor.
Zugeben muss ich, dass ein 1,5l Motor beim Honda Civic der 4. Generation Ende der 80er bei 6500 U/min viel schöner klang, als der Prius bei 5000.

Gruß
Martin