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Thema: Fahrberichte - Making Of (2637-mal gelesen)
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Fahrberichte - Making Of

Viele unserer Mitglieder und Leser schätzen meine Fahrberichte, weil sie anders sind als das, was man allgemein in der gedruckten Presse und im Netz lesen kann. Ich schreibe nicht nur das Datenblatt herunter oder kopiere mir aus bereits anderswo veröffentlichten Fragmenten meinen eigenen Fahrbericht zusammen - beides kann man schonmal im Netz beobachten. Meine hier im Forum veröffentlichten Fahrberichte sind das Ergebnis tage- und wochenlanger Arbeit. Zeit für ein kleines

Making Of

Die Fahrzeugauswahl

Gerne würde ich jetzt sagen, ich habe die Qual der Wahl und bei den Herstellern von alternativ angetriebenen Fahrzeugen aller Art stehen mir sämtliche Türen offen. Das ist aber leider nicht wahr. Manch ein Hersteller pflegt den Kontakt zu mir und stellt mir gerne Fahrzeuge zur Verfügung, manch anderer musste mir leider eine Absage erteilen.

Das hat viele denkbare Gründe. Zuerst muss man sagen, dass scheinbar herstellerübergreifend das Budget für den Fuhrpark von Pressefahrzeugen zusammengestrichen wird. Das ist bei den sehr großen Volumenherstellern noch nicht ganz so auffällig. Bei einem Marktanteil von unter einem Prozent in Deutschland überlegt es sich ein Hersteller aber dann doch genauer, welche Fahrzeuge er überhaupt anbietet - und wem.

In meinen Augen ist das aber ein prima Beispiel für den altbekannten Teufelskreis. Weniger Testfahrzeuge für die Presse geht natürlich einher mit weniger Testberichten und somit weniger Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Andererseits lohnt es sich nicht, viele Pressefahrzeuge vorzuhalten, wenn am Ende der Kunde das Auto doch nicht kauft.

Was es für mich zusätzlich schwer macht, sehr gefragte Pressefahrzeuge zu bekommen: die Reichweite unseres Internetangebotes. Trotz etwa 14.000 Seitenaufrufen pro Monat sind wir wahrlich ein kleiner Fisch im großen Teich der Automobil-Blogs und -Youtube-Kanäle. Überhaupt sind Youtube-Kanäle derzeit sehr gefragt und werden von den Herstellern auf Grund ihrer Beliebtheit und Reichweite bevorzugt behandelt. Ein kleines Forum wie dieses hier kann noch so umfangreiche Fahrberichte schreiben, es bleibt für die Hersteller relativ uninteressant, weil kaum (potentielle) Kunden erreicht werden. So lande ich mit meiner Anfrage völlig verständlich manchmal recht weit unten auf der abzuarbeitenden Verleihliste.

Seht es mir also bitte nach, wenn aktuelle, neue Fahrzeuge nicht zeitnah von mir vorgestellt werden können und ich mich aus zeitlichen Gründen (mehr dazu später) auf zwei bis drei Fahrzeuge pro Jahr beschränke. Ich kann an dieser Situation nichts ändern.

Die Testfahrten

Auf unserer Startseite heißt es:

Zitat
Wir testen die Fahrzeuge vierzehn volle Tage und mindestens eine komplette Tankfüllung (manchmal schaffen wir auch zwei) lang im Alltag, nicht auf dem Prüfstand. Unsere Berichte sind unverfälscht, ehrlich und praxisnah, da wir die Fahrzeuge allen erdenklichen und im alltäglichen Gebrauch vorkommenden Situationen aussetzen. Sie werden zum beruflichen Pendeln benutzt und müssen sich im Stop&Go-Verkehr beweisen. Bei Ausflügen testen wir den Komfort auf längeren Strecken, beim Einkaufen die Praktikabilität. Wir streicheln das Gaspedal im Öko-Modus, sind aber auch mal flott unterwegs.

Und das ist nicht gelogen! Während eines 14tägigen Tests bleibt mein privates Fahrzeug stehen. Wirklich jede Fahrt wird mit dem Testfahrzeug unternommen. Dazu kommen weitere Fahrten, die speziell für den Test unternommen werden, um das Fahrzeug besser kennenzulernen und weitere Verbrauchswerte in verschiedenen Fahrsituationen und/oder Fahrprogrammen zu ermitteln. Manchmal werden sogar mehrere Stunden aus solchen zusätzlichen Fahrten, wenn das Testfahrzeug dann zum Beispiel für einen Tagesausflug herhalten muss.

Dabei werden die Fahrzeuge mit verschiedenen Fahrerprofilen bewegt: Der Sparsame beschleunigt nur verhalten, bewegt sich sehr vorausschauend im Verkehr und versucht, den Verbrauch noch ein wenig weiter zu drücken. Der Normale schwimmt im Verkehr mit, bewegt das alternativ angetriebene Fahrzeug so, wie er auch ein konservativ angetriebenes bewegen würde, und fährt auch öfter mal auf der Autobahn. Hier zeigt der Tacho dann zwischen 120 und 160 km/h an. Der Schnelle reizt das Fahrzeug aus. Er ist sportlich und schnell unterwegs, beschleunigt kräftig und bleibt auf der Autobahn meist auf der linken Spur.

Auf den Testfahrten spielt aber auch die Strecke eine große Rolle. Ich ermitttle Verbrauchswerte für den Stadtverkehr, die Landstraße und die Autobahn, muss mich aber hier auf die Angaben des Bordcomputers verlassen - getankt und gerechnet wird später. Auf vielen verschiedenen Strecken beobachte ich das Verhalten des Fahrzeugs. Wie verhält sich das Fahrwerk auf guten und auch schlechten Straßen? Bleibt es bei flotter Kurvenfahrt sicher und bietet Reserven? Dazu kommt: Wie komfortabel ist das Fahrzeug, arbeiten die Assistenzsysteme zuverlässig, ist die Bedienung auch ohne Handbuch möglich? Wie klingt das Multimediasystem und leistet sich die Navigation Schwächen in der Routenführung? Sind die Sitze langstreckentauglich und lässt sich der Kofferraum flexibel nutzen und gut beladen? Dies sind nur einige der Fragen, die sich zwangsläufig stellen und die natürlich beantwortet werden müssen.

Es sind sehr viele Eindrücke, die sich im Laufe des Testzeitraums ergeben. Meine Erfahrungen werden in Notizen festgehalten, die sich über mehrere Seiten in meinem altmodischen Notizbuch ziehen, etliche Schnappschüsse halten bemerkenswerte Situationen zusätzlich im Bild fest. Diese Bilder finden später natürlich nicht den Weg in den Fahrbericht, dort kommen speziell mit Hilfe meiner Kameraausrüstung geschossene Bilder zum Einsatz.

Mindestens eine Tankfüllung wird im Testzeitraum von mir gefahren. Das sind zwischen 700 und 900 Kilometer. Manchmal kommt es sogar vor, dass ich genug Zeit habe oder ich die eine oder andere Erfahrung noch etwas vertiefen oder genauer nachvollziehen möchte, und dann kommen noch ein paar Hundert Kilometer oben drauf. Meist genieße ich diese Fahrten. Es ist immer spannend, ein anderes Fahrzeug als das eigene, wohl bekannte zu bewegen und zu versuchen, dessen Verhalten zu verstehen. Erst recht bei alternativ angetriebenen Fahrzeugen.

Am Ende des Testzeitraums entsteht so ein recht umfassendes Bild des getesteten Fahrzeugs vor meinem geistigen Auge.

Der Fahrbericht

Ich versuche stets, den Fahrbericht zeitnah nach Rückgabe des Testfahrzeugs zu schreiben. Dazu nehme ich die gemachten Schnappschüsse und natürlich mein Notizbuch zur Hand. Zusätzlich hilft mir die meist mit dem Fahrzeug ausgegebene Pressemappe mit Prospekten, technischen Angaben und Ausstattungslisten und mein Computer, mit welchem ich die Presseserver der Hersteller und auch das Internet selbst nach weiteren Informationen zu den Fahrzeugen, zum Beispiel bereits bekannten Serienfehlern oder Erfahrungen anderer Tester, durchsuche. Zu Anfang dieses Making Ofs erwähnte ich, dass ich meinen Fahrbericht nicht aus bereits anderswo veröffentlichten Fragmenten zusammen kopiere, und dazu stehe ich nach wie vor. Die Recherche im Netz nach anderen Test- und Erfahrungsberichten dient nur dazu, einem eventuellen Fehleindruck meinerseits auf die Schliche zu kommen und Objektivität zu wahren.

Natürlich ist ein Fahrbericht eine subjektive Angelegenheit, wenn man das nicht so praktiziert wie es Jan Gleitsmann von Ausfahrt.tv tut. Er stellt im ersten Teil seiner Videos die Fahrzeuge relativ sachlich und nüchtern vor, nach einem festen Ablauf. Das wäre in schriftlicher Form so jedoch nicht möglich. Ich muss versuchen, den Fahrbericht möglichst spannend, unterhaltsam, nachvollziehbar und dennoch sachlich fundiert zu gestalten.

Nach vielen Stunden der Recherche, des Schreibens und des Optimierens der zu verwendenden Bilder sind es dann um die 3.000 bis 3.500 Wörter, die so ein Fahrbericht umfasst. Er wird dann zunächst teamintern diskutiert und meist noch mehrmals leicht überarbeitet, bevor er den Herstellern zur Überprüfung technischer Details nochmal zugeschickt und nach deren Rückmeldung im Forum veröffentlicht wird. Habe ich jetzt wieder eure Aufmerksamkeit geweckt? Ich kann mir vorstellen, dass dieser Schritt manch einem Leser seltsam vorkommen wird. So, als würde ich den Herstellern einen Eingriff in den Bericht ermöglichen, ich höre fast schon das Wort Zensur aus eurem Munde. Aber so ist das wirklich nicht. Ich praktiziere dies von Anfang an so - um das Vertrauen zwischen mir und dem für die Pressefahrzeuge Verantwortlichen beim Hersteller zu stärken und Fehlern in meinem Bericht vorzubeugen. Bei VW führte dies zum Beispiel dazu, dass ein falscher Eindruck des Hybridsystems beim Jetta Hybrid nicht den Weg in den Fahrbericht fand - zum Glück! So wurde ein Fehler in meinem Fahrbericht auf Grund einer technischen Fehlinterpretation meinerseits vermieden.

Am Ende erscheint mein Fahrbericht dann im Forum, mit einem Hinweis auf meine durch die Tankquittungen und zurückgelegten Kilometer errechneten Verbräuche und im Schnitt fünfzehn bis zwanzig Fotos. Und hoffentlich gefällt er euch.

Antw.: Fahrberichte - Making Of

Antwort Nr. 1
14 Tage Probefahrt? Bei unsereins wird ja schon schief angeguckt wenn man den Wagen Mal den ganzen Tag haben möchte.

 

Antw.: Fahrberichte - Making Of

Antwort Nr. 2
Ganz einfach: Erstelle einen Youtube-Kanal oder gründe einen Verlag, beschäftige dich monatelang mit dem Aufbau, der Technik dahinter, den Addons, der Datenbank, den Domains, usw. Dann ziehe User an Land, gewinne Leser/Zuschauer, generiere Klicks. Sei mindestens ein halbes Jahr dabei, beweise Ehrgeiz und einen langen Atem. Überzeuge durch Professionalität und unbedingte Zuverlässigkeit. Und am Ende schreibe einen langen Bericht oder erstelle ein spannendes Video.

Dann klappts vielleicht auch mit vierzehn Tagen statt zwei Stunden.  ;)